Film „A Good Man“ – Kritik aus der Sicht einer trans maskulinen Person.

Ein Film über ein ganz normales Pärchen mit unerfülltem Kinderwunsch. Gut, dass Benjamin ein trans Mann ist und daher das Austragen eines Kindes übernehmen kann, um das Familienglück zu ermöglichen.

Zu Beginn des Filmes zeigt sich eine sehr liebevolle Beziehung zwischen Benjamin und Aude, welche auf einer kleinen Insel leben. Unter anderem wird gezeigt, wie Aude ihrem Mann eine Testosteron-Spritze gibt. Dies zeigt meiner Meinung nach eine große Akzeptanz. Für Aude scheint dies so selbstverständlich zu sein, wie sie ihrem Mann bei Notwendigkeit auch ein anderes Medikament geben würde. Dies scheint mir in einer langjährigen Beziehung auch realistisch zu sein, auch wenn es nicht selbstverständlich ist!

Benjamin ist beruflich erfolgreich, stabil mit seiner Praxis und bei seinen Patienten beliebt. Aude ist Tänzerin. Allerdings hat sie das Tanzen aufgegeben, als sie auf die Insel gezogen sind. Sie unterrichtet nun Kinder im Tanzen.

Im weiteren Verlauf des Filmes bekommt man den Eindruck, dass der Umzug nur aufgrund der Transition stattgefunden hat und Aude alles für Benjamin aufgegeben hat. Während sie zu Besuch in der alten Heimat sind ist es aber Aude, welche angegriffen und mit dem Word „Lesbe“ in Tonart und Auslegung beschimpft wird. Da Aude Benjamin vor seiner Transition kennengelernt hat steht fest, dass sie nicht heterosexuell ist. Also hätte Aude nicht auch so Probleme mit der homophoben Bevölkerung ihrer alten Heimat gehabt?!? Der Umzug ist mir in diesem Zusammenhang klar zu sehr „wegen Benjamin“ dargestellt!

Benjamin ist auch vor seiner Familie (Bruder, Schwägerin und Mutter) geoutet. Zum Bruder und der Schwägerin herrscht ein relativ gutes Verhältnis. Das Verhältnis zur Mutter ist recht angespannt. Auch diese Darstellung ist realistisch denkbar.

Im Laufe des Filmes wird gezeigt, wie Aude sich bei Benjamin für den unerfüllten Kinderwunsch entschuldigt. „Ich würde es verstehen, wenn du mich verlässt“ , sagt sie. In der nächsten Szene lehnt Benjamin in einem Vorgespräch die geschlechtsangleichende OP vorerst ab, da er für die Familie das Kind austragen will. Es wird der Eindruck erweckt, dass dies auch nicht mit Aude abgesprochen war. Hier stellen sich mir zwei Fragen:

  1. Wenn die beiden eine so gute Beziehung haben, wieso wurde es vorher nicht besprochen?
  2. Wie wird sich Aude wohl fühlen, wenn ihr Mann das Kind austragen „muss“, weil sie es nicht kann?

Meiner Meinung nach kann das nur negativ auf Aude´s Psyche wirken!

Die rein medizinische Frage, ob Benjamin schwanger werden kann, ist mit ja zu beantworten, solange er noch Eierstöcke und eine Gebärmutter hat und die Hormontherapie mit Testosteron unterbricht. Die Frage ob er das möchte und ob er sich damit ok oder gut fühlt ist eine sehr individuelle. Jeden trans Menschen stören andere Dinge, manche mehr und manche weniger. Stellen wir die Frage anders. Gibt es trans maskuline Menschen, die vor oder während der Transition Kinder bekommen haben? JA!

Ich als trans maskuline Person, die Kinder bekommen hat, empfinde „Schwangerschaft“ und „Kinder kriegen“ als nicht besonders problematisch, wobei auch das natürlich nur individuell ist! Tatsächlich sind es die Sachen, die vor der Schwangerschaft passieren, welche mir und scheinbar auch Benjamin tatsächlich Angst machen und dysphorische Zustände auslösen.
So merkt man an einer meiner Meinung nach schön subtil gezeigten Szene, dass Benjamin nach Absetzen des Testosterons wieder seine Menstruation bekommt, mit den leider dazugehörigen Schmerzen. In der nächsten Szene des Films wird ein Besuch bei einem Gynäkologen gezeigt, der Benjamin erklärt, dass es nicht weh tun und nur etwas kalt wird. Benjamins Gesichtsausdruck ist nicht besonders „euphorisch“. Hier wird meiner Meinung nach das Empfinden der meisten trans maskulinen Menschen nur unzureichend dargestellt. Ein Gynäkologenbesuch ist meistens schmerzhaft, da neben dem üblichen „Besuch beim Gynäkologen“-Gefühl, welches selbst viele cis Frauen als unangenehm empfinden, bei den meisten trans maskulinen Personen auch noch die Dysphorie in diesem Moment voll zuschlägt und man nicht ansatzweise in der Lage ist, die nötige Entspannung zu erreichen, damit es nicht weh tut!
Um es bildlicher darzustellen… ich habe bei meiner künstlichen Befruchtung geschrien und geweint!
Das wäre also ein treffenderes Bild gewesen. Natürlich ist auch das individuell und vielleicht ist Benjamin einfach stärker als ich?!?

Aude und Benjamin sind zu Besuch in der alten Heimat. Hier wird neben dem vorhin schon erwähnten homophoben/transphoben Überfall auch nochmal das angespannte Verhältnis zu Benjamins Mutter dargestellt. Der Überfall endet damit, dass Benjamin von einem Fahrzeug erfasst wird, als er mit Aude aus der Situation zu flüchten versucht. Da er länger im Krankenhaus liegt und Aude bei ihm bleibt, verliert sie ihren Job. Zurück in der neuen Heimat ist Benjamin mit seiner Praxis also Alleinverdiener und relativ schnell wird klar, dass Benjamin typische Schwangerschaftsanzeichen zeigt. Aude kauft einen Schwangerschaftstest, welcher tatsächlich positiv ist.

Ziemlich schnell sieht man, dass Aude mit der Schwangerschaft doch ein problematisches Verhältnis hat und Benjamins Bruder, welcher zu Besuch ist, versteht die Welt nicht mehr und streitet mit Benjamin. Er hat ihn als Bruder akzeptiert, aber mit der Schwangerschaft kommt auch er nicht klar. Benjamin erklärt ihm, dass er auch nur eine Familie will, so wie er auch eine Familie hat.
Mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft werden Aude´s psychische Probleme größer und nach einem Gespräch mit einer anderen Tänzerin, welche von ihrer Karriere schwärmt und einer psychologisch nicht irrelevanten Szene, welche sich um Babybetten dreht – Stichwort Nestbautrieb – verschwindet Aude.

Zeitnah – was wahrscheinlich mit der Schwangerschaft zusammenhängt – wird das Verhältnis zwischen Benjamin und seiner Mutter spürbar besser und sie gratuliert ihm zum Geburtstag mit seinem richtigen Namen!

Benjamins bester Freund auf der Insel bekommt durch die Schwangerschaft mit, dass Benjamin trans ist. Ein Coming out war eigentlich nicht notwendig, da Benjamin schon gut angepasst war. Benjamins Freund ist sauer, weil er es als unehrlich empfindet, dass Benjamin nicht gesagt hat, dass er trans ist und beendet die Freundschaft im Streit.

Und während Benjamin den Rest der Schwangerschaft zwar einsam und allein durchsteht und gegen Ende der Schwangerschaft seine Praxis schließt, scheint er mit der Schwangerschaft selbst keine Probleme zu haben, was ich als möglich bzw. realistisch empfinde, mir ging es nicht anders.

Ein älterer Patient von Benjamin stirbt und Benjamin geht, weit abseits und sichtbar hochschwanger, zur Beerdigung. Die Frau des Patienten, mit der Benjamin immer mal wieder Unterhaltungen geführt hat, wenn er seinen Patienten besucht hat, zeigt die meiner Meinung nach schönste Reaktion. Sie geht zum Ende der Beerdigung zu Benjamin und nimmt ihn einfach in den Arm. Es ist für sie völlig unerheblich, dass vor ihr ein schwangerer Mann steht. Solches Verhalten kann man sich nur wünschen.

Bei der Geburt passiert etwas schönes, denn Benjamin steht nicht mehr alleine da. Er lehnt zwar die Hilfe seines Freundes, der ihn im Streit verlassen hat, ab, aber seine Mutter kommt und steht ihm bei der Geburt bei.

Als Benjamin mit seinem Kind nach der Geburt im Krankenhaus liegt wird mit einem Klopfen an die Zimmertür angedeutet, dass Benjamin weiteren Besuch bekommt. Dann kommt die Schlussszene in einem Park mit vielen Leuten, wo nach kurzer Zeit Benjamin und Aude ins Bild laufen. Aude trägt das Kind in einer Trage vor dem Bauch. Dieses Ende hinterlässt große Fragezeichen. Wann haben die beiden wieder zueinander gefunden? Und wieso kommt Aude so plötzlich damit klar? Es ist sehr unrealistisch und sieht wie ein „Es muss ein Happy End geben“- Happy End aus.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Film gut gemacht ist. Ein wenig mehr Realität gerade gegen Schluss wäre schön gewesen. In einem Programmflyer des Filmfestes BS wird der Film als „aufklärend“ beschrieben. Dies kann ich nur verneinen. Viele cis Menschen, welche sich nicht mit der Thematik auseinander gesetzt haben, haben danach nur noch mehr Fragen. Entsprechend wäre es schön gewesen, wenn bei der Erstellung des Films mehr trans Personen involviert gewesen wären, um ein tatsächlich realistisches Bild abzubilden. Dennoch ist es ein gelungener Film mit einer guten cis weiblichen Schauspielerin als Benjamin.

Autor: Sasha M., trans maskuline Person und MaPa von Zwillingen.